Liebe und Lebensfreude

Liebe und Lebensfreude

Quelle: Lutz Eikelmann in »Jazzpodium«, Ausgabe 11/2014

Wenn man mit offenen Augen und Ohren die lande durchzieht, um die Perlen des Musikgeschehens zu entdecken, stößt man über kurz oder lang auf die Sängerin Milli Häuser und ihre Veranstaltungsreihe »Tatort Jazz« in Bochum. Was dort im Herzen des Ruhrgebiets seit fast einem Jahr­zehnt kontinuierlich aufgebaut wird und wächst, ist mehr als beachtenswert. In Zeiten, in denen sich Jaz­zer gerne in das Jammern über Missstände in Medien und Gesellschaft wie auch über den Niedergang von Besucherzahlen in Jazzclubs und vieles mehr hinein­steigern, leuchtet die Eigeninitiative »Tatort Jazz« wie ein Licht in der Dunkelheit. Grund genug, dieses Ge­schehen näher zu betrachten und zu dokumentieren, sowie die Initiatorin Milli Häuser vorzustellen.

Was geschieht hier bei »Tatort Jazz«? Gibt es ein Ge­heimrezept für den Erfolg von »Tatort Jazz«? Fleiß – Arbeit – Kontinuität sind Begriffe, an denen man beim Analysieren des inzwischen mehr als neunjährigen Er­folges nicht vorbei kommt. »Tatort Jazz zieht Kreise und soll größer werden«, formuliert Milli Häuser die Zielsetzung für die Zukunft und fährt fort: »Jazz soll man nicht klein denken und das bedeutet: Arbeit. Man kann klein denken und hat weniger Arbeit, doch mir geht es um die Verbreitung von Jazz – mit natürlicher Wohlfühlatmosphäre und Sinnlichkeit!«

Milli Häuser scheut keinen Einsatz und es sind viele unbezahlte Arbeiten im Hintergrund dieser Veranstal­tungsreihe nötig: ob es um den Aufbau eines Stamm­publikums und eines Fankreises geht – Kontakte, die gepflegt sein und regelmäßig mit Informationen ver­sorgt werden wollen –, ob es um die Internetpräsentationen oder um das gute Verhältnis zur Presse geht oder um die Organisation eines abwechslungsreichen Konzertprogramms mit 30 bis 35 Konzerten pro Jahr – all diese Arbeiten sind notwendig. Und dann stellt sich immer wieder die Frage der Finanzierung, denn zu den Erfolgsrezepten von »Tatort Jazz« gehört auch die musikalische Qualität. Ob die Hausband, ob deren Gastsolisten, deren Aufzählung den Rahmen dieses Artikels sprengen würde … Milli Häuser setzt nur Profimusiker ein und die wollen bezahlt werden.

Das Rin­gen um lokale/regionale Sponsoren gehört ebenso wie das Bemühen, immer möglichst gute Besucher­zahlen zu erzielen, zu den regelmäßigen Arbeiten im Hintergrund. Da jedoch eine Jazzreihe nicht mit Sponsorengeldern überschüttet wird, sind die freiwilligen Spenden des Publikums von enormer Bedeutung für die Finanzierung und Fortführung des Programms. Geld ist jedoch nicht der einzige bedeutsame Aspekt in diesem Zusammenhang – Milli Häuser betont die Wichtigkeit der Probenarbeit. Die musikalische Arbeit in der Vorbereitung der Konzerte sieht üblicherweise so aus, dass der nächste Gastsolist sein Repertoire schickt – überwiegend auch Eigenkompositionen! –, seien es Lead-Sheets, in Noten ausgeschriebene Ar­rangements oder sonstige Notizen. Dabei ist es nicht selten, dass die »Tatort Jazz«-Hausband vor der Her­ausforderung steht, Eigenkompositionen eines Gast­solisten uraufzuführen sprich erstmalig auf der Bühne umzusetzen. Milli Häuser koordiniert die musikalische Vorbereitung zwischen Gastsolist und Hausband. Die­se Vorbereitung beginnt im Idealfall zwei, drei Wo­chen vor dem nächsten Konzert, manchmal auch erst eine Woche vorher oder gar erst am Veranstaltungstag. »Es wäre schon das Beste, wenn der Gast sein Programm, alle Noten und Chords so etwa drei Wochen vorher schickt«, erklärt Milli, »doch das klappt nicht immer mit den drei Wochen. So oder so gibt es am Nachmittag vor der Veranstaltung eine Probe mit Gastsolist und Hausband, dann bekommen die Musiker ein von mir selbst gekochtes Essen. Danach folgt das Konzert!«

Wer ist nun diese treibende Kraft hinter »Tatort Jazz«? Wer ist diese Milli Häuser? Sie wuchs in Essen-­Kettwig in einer mütterlicherseits sehr musikalischen Familie auf, in der alle Frauen ständig sangen und auch die Männer musikalisch aktiv waren. Der Groß­vater war Sänger und sollte als Mahalia Jackson-Fan von besonderem Einfluss auf seine Enkelin sein. »Mit sieben Jahren schon versuchte ich diese Spirituals zu singen und mich wie Mahalia Jackson zu verkleiden«, erinnert sich Milli. »Dann entschied mein Opa, dass es Zeit wäre, dem Kind eine gesangliche Ausbildung zu bieten!« Mit elf Jahren begann sie dann auch noch Gitarre zu spielen und kaum dass sie zwei Akkorde greifen konnte, schrieb sie die ersten eigenen Lieder.

Während sie in den Erinnerungen an die Kindheit schwelgt, kommt ihr auch ihre erste Jazzschallplatte in den Sinn, die sie sich aus den Schallplatten der Fa­milie auswählt und aneignet. »Das war eine Single – mit ‘lce cream’! Als Kind fühlte ich mich davon so sehr zum Tanzen animiert und hüpfte dazu herum!« erklärt sie, während sie das kindliche Hüpfen lachend andeutet.

Der Umzug nach Essen-Werden bringt sie in Berüh­rung mit Schülern der Folkwang-Musikschule. Nach und nach wächst sie immer mehr in den musikali­schen Werdegang hinein. Es folgt eine Tanzausbil­dung. Zeitgleich singt sie mit den ersten Bands. Bald darauf tritt sie mit einer Rock-Jazz-Band beim Mon­treux Jazz Festival auf, wo Al Jarreau ihren Gesang sehr lobt, was sie als besondere Motivation empfin­det.

Ihre professionellen Aktivitäten starten mit Tanzunter­richt und Arbeit als Tänzerin in verschiedenen Produk­tionen, doch sie musiziert mehr und mehr. Um Geld zu verdienen, arbeitet sie im Werbe-Jingles-Bereich und als Studiomusikerin für diverse Produktionen – eine Arbeit, die von Musikkritikern vielleicht nicht unbe­dingt wertgeschätzt wird, die Milli Häuser jedoch als ,,gute Schulung« bezeichnet. Viele Bandprojekte fol­gen. Insbesondere mit ihren eigenen Kompositionen. Aber auch als Reggae-Sängerin und Funkgitarristin ist sie jahrelang unterwegs. Dann besinnt sie sich auf die deutsche Sprache. Es begann mit Interpretationen deutscher Chansons und schon bald schreibt sie eige­ne Chansons, ebenfalls deutschsprachig. So entwickelt sie mittels dieser Chansons ihre eigene neue Linie. »Ich wollte das gerne mit Jazz verbinden«, erklärt sie.

Sie arbeitet bei einer ihrer CD-Produktionen, »Tau­che«, mit dem Essener Bassisten und Gitarristen Hartmut Kracht zusammen und nimmt später Jazzgesangsunterricht bei Silvia Droste. Durch ihre Jazzprojekte mit Musikern der hiesigen Jazzszene, mit denen sie europaweit tourt, entstand nach und nach die Idee zu einer allumfassenden Jazzreihe, die die Szene zwischen Rhein, Ruhr und Weser widerspiegelt. Und dann ging es los mit »Tatort Jazz«. Besonders hervorzuheben ist die »Tatort Jazz Hausband« mit Ro­man Babik, Klavier, Alex Morsey, Kontrabass, und Uwe Kellerhoff am Schlagzeug, die jeden Gastsolisten konge­nial begleiten. Als ich sie nach ihren musikalischen Vorbildern frage, nennt sie sofort Charlie Parker, dessen Musik sie gerne mit eigenen Texten versehen würde, Thelonious Monk, »natürlich auch Ella Fitzgerald – ist ja klar!«, des wei­teren Maria João, Eryka Badu, Erika Stucky und die Schlagzeugerin Cindy Blackman. [Links durch die Redaktion des Internetauftritts von Milli Häuser]

Die Reihe »Tatort Jazz« fand anfänglich sechs Jahre lang jeden Mittwoch in Bochum statt. Seit 2012 nur noch ein bis zwei Mal im Monat. Denn: so etwas er­fordert extrem viel Zeit, damit es Erfolg verspricht. Da­bei war und ist Milli Häusers Zeit und Kraft für eine Vielzahl notwendiger organisatorischer Arbeiten, Net­working, Programmgestaltung, Künstlerbetreuung usw. nötig. Aber als Musikerin gibt sie zu bedenken: »Ich brauche mehr Zeit für die Musik, daher musste ich Tatort Jazz auf ein bis zwei Mal im Monat be­schränken, sonst frisst es einen auf.« Auf ihrer Priori­tätenliste steht daher jetzt vor allem das Komponieren eigener Titel ganz weit oben. »Damit würde ich gerne das nächste CD-Projekt gestalten!« Darüber hinaus liegt ihr auch die Verknüpfung von Musik und Kunst am Herzen.

Mich interessieren einige grundsätzliche Einstellungen der Künstlerin und sie gewährt mir den gewünschten Einblick. So legt sie besonderen Wert auf gute Texte wie sie ausdrücklich betont. Darüber hinaus schätzt sie »die Stille als Quelle der Inspiration«, kann aber auch »spontan im Alltag komponieren«. Es macht Milli Häuser besonders aus, dass sie ein großes Interesse für die Welt und die Mitmenschen zeigt, einen großen musikalischen Horizont und daraus folgend eine große musikalische Offenheit und Flexibilität besitzt. Die von ihr herausgehobene Wichtigkeit des Hörens sollte eigentlich unter Musikern eine Selbstverständlichkeit sein – ob dem immer so ist, soll jetzt jedoch dahingestellt sein.

»Die Menschen sind so dankbar für die Freude, die ich ihnen mit den Konzerten vermittle, deswegen will ich auch selbst Freude haben und tue daher gerne das, was ich mag!«, erklärt sie.
Als ich gegen Ende unseres persönlichen Gespräches Milli Häuser darauf anspreche, dass sie als Gastgeberin von »Tatort Jazz« wie auch auf der Bühne Liebe zur Musik, zu ihren Mitmusikern und zum Publikum ausstrahlt, leuchten ihre Augen auf und sie lacht vor Freude: »Ja, so ist es!«, ruft sie zustimmend. Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus – und so mag es nicht verwundern, dass Milli viel positives Feedback auf ihre vielfältigen Aktivitäten erhält. Und es ist wohl auch verständlich, warum eine illustre Schar an Gastsolisten bisher gerne in der »Tatort Jazz«-Reihe mitwirkte, so u. a. Günter »Baby« Som­mer, Sydney Ellis, Silvia Droste, Laia Gene, Frederik Köster, Christian Kappe, Jan Klare, Stephan Mattner, Roger Hanschel u. v. a.

Ich kann Ihnen nur noch ans Herz legen, die Website www.milli-haeuser.de zu besuchen, dort mehr über ihre aktuellen Aktivitäten, die auch ihre »Jazz Party« und ihre Band »Les Monkophoniques« einschließen, zu erfahren und dann nix wie auf zur nächsten »Tatort Jazz«-Veranstaltung!

Text: Lutz Eikelmann